Kulturpolitik in herausfordernden Zeiten – Ein 5-Punkte-Papier

Kultur ist für mich das Lebenselixier der Demokratie. Gerade in Zeiten, die von Veränderungen und Umbrüchen geprägt sind, kann die Kunst auf sinnliche Weise andere Perspektiven zeigen und den Horizont erweitern.

Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus wittern Morgenluft, sie wachsen und bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sie bedrohen Demokratie, Freiheit und Frieden ganz unverhohlen. Kultur kann dem etwas entgegensetzen, gar ein Gegenmittel sein, indem sie Vielfalt, Lebensfreude und Differenziertheit statt Ausgrenzung, Angst und simplen Denkmustern zeigt und so Menschen zusammenführt.

München war und ist eine Stadt der Kultur – in ihrer ganzen Breite und Vielfalt: vom Blauen Reiter im Lenbachhaus, dem Jugendstil der Villa Stuck bis zu Graffiti und Street Art, von den Philharmonikern bis zu Pop und Punk, von der freien Theaterszene bis zu den Kammerspielen. Diese Breite gilt es weiter zu erhalten und zu stärken.

Für mich sind ganz konkret folgende Ziele für die Kulturpolitik der nächsten Jahre zentral:

  1. Existenzsicherung in finanziell schwierigen Zeiten Steigende Kosten lassen kleine kulturelle Gruppen, freie Theater, aber auch städtische Einrichtungen wie die Pasinger Fabrik um ihren Bestand fürchten. Kulturpolitik muss sich auch mit begrenzten Haushaltsmitteln allererst um Bestand und Existenzsicherung kümmern, damit nicht wesentliche Teile des kulturellen Lebens wegbrechen. Im teuren München dürfen Kulturschaffende nicht um ihre Existenz bangen müssen.
  2. Kulturelle Teilhabe fördern Das typische Kulturpublikum ist laut einer Hamburger Studie um die 50, verfügt über mittleres oder höheres Einkommen und hat keine Migrationsgeschichte. Kulturelle Teilhabe ist mir ein zentrales Anliegen: Unabhängig von Geldbeutel, Herkunft und Alter sollen alle sich aktiv am Kulturleben beteiligen können – und das nicht nur im Stadtzentrum. Wir als vielfältige Stadt brauchen mehr offene, niederschwellige und partizipative Angebote gerade vor Ort.
  3. Mehr Raum für Kultur Kultur braucht Räume – und zwar bezahlbare. Deshalb will ich die Mischung zwischen Kreativen, Handwerk und Zwischennutzung im Gasteig HP8 in der Hans-Preißinger-Straße dauerhaft erhalten, im Haidhauser Gasteig durch Zwischennutzungen so lang wie möglich kulturelle Angebote machen und ihn als wichtiges Herzstück der Münchner Kultur in die Zukunft führen, das Kreativlabor in der Dachauer Straße langfristig sichern, die Jutier- und Tonnenhalle zu einem Zentrum der freien Szene mit internationaler Strahlkraft machen. Wir brauchen insgesamt mehr bezahlbare Ateliers und Probenräume, Stadt, Staat und nichtstaatliche Akteure müssen hier noch enger zusammenarbeiten. Ich will eine Task Force für dauerhafte Räume und Zwischennutzungen einrichten und eine referatsübergreifende Beiratsstruktur gemeinsam mit der Kulturszene schaffen, die auch die Frage nach mehr Räumen für Kultur als zentrales Thema behandelt. 
  4. Subkultur und Popkultur fördern
    Die Konzerte von Adele am Messegelände waren beeindruckende Events für München. Aber die Popstadt München ist mehr: Wir haben hier tolle Bands, die wir besser unterstützen müssen, wir haben Veranstalter vor Ort, die kreative und vielfältige Angebote machen können. Ich möchte ein Open-Air-Konzept entwickeln, die Nutzung von Konzertsälen und -hallen für mehr Sparten zugänglich machen, Konzepte für die Popförderung entwickeln und eine lebendige Sub- und Club-Kultur fördern. (Eine Anmerkung: Der Kultur- und Medienbereich zahlt übrigens fast doppelt so viel Gewerbesteuer wie Hotels und Gastronomie. Auch wirtschaftlich liegt es im Interesse der Stadt, bessere Bedingungen zu schaffen.)
  5. Demokratie und Erinnerungskultur stärken Angesichts des wachsenden Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus ist Kultur und insbesondere Erinnerungskultur eine Brandbauer zur Verteidigung der Demokratie. Wir haben die Abteilung Public History im Kulturreferat geschaffen und ausgebaut; ich möchte sie weiter stärken und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen intensivieren. Erinnerungskultur im öffentlichen Raum ist mir ein Herzensanliegen: In München sollten wir lieber Menschen, die im Widerstand kämpften, als solche, die den Nazis den Weg bereiteten, mit Straßennamen ehren. Ich habe vorgeschlagen, dass ein Kunstwerke Nähe Ettstraße, wo von der Polizeizentrale die Deportation der Roma und Sinti ausging, an das Schicksal dieser Minderheit erinnert und bin froh, dass wir es beschließen konnten – die Eröffnung möchte ich vorantreiben. Die Stadt hat das Rachel-Salamander-Archiv erhalten, das bald aufgearbeitet und präsentiert werden soll; die Reichenbach-Synagoge wird mit städtischer Unterstützung renoviert, ich möchte, dass sie ein wichtiger Lernort wird. 

Kultur ist vielleicht der bessere Verfassungsschutz.

Florian Roth, 06.10.2024